Sächsische Zeitung, 16. März 2009
Was ist Dresden ohne Welterbetitel?
Dieser Frage gingen am Sonnabend Experten auf dem ersten Welterbeforum nach. Ohne den Welterbetitel der Unesco verspielt die Stadt ihren guten Ruf. Das sagte der Ex-Landeskonservator am Wochenende auf dem Welterbeforum.
Von Peter Ufer
Dresden ist keine Weltstadt. Politisch nicht und schon gar nicht wirtschaftlich. Doch kulturell spielte diese Stadt immer in der europäischen Liga mit. Die Dresdner Kultur wurde stets als „Weltangelegenheit“ verhandelt. So bezeichnete es Fritz Löffler einst nach dem Krieg. Doch jetzt verspielt die Stadt ihren kulturellen Ruf. Mit dem Verlust des Welterbetitels der Unesco wird Dresden im kulturellen Mittelmaß versinken.
Diese Thesen referierte vergangenen Sonnabend der frühere Landeskonservator Heinrich Magirius im Studiotheater des Kulturpalastes. Dort fand das erste Dresdner Welterbeforum statt, organisiert vom Netzwerk Welterbebewegung.
Zerstörung Dresdner Identität
Magirius wies in seinem Vortrag darauf hin, dass seit 500 Jahren die Kulturgeschichte von Dresden im Kontext der Weltkultur betrachtet und gewertet wurde. Sowohl die höfische Kultur des Fürstenhauses, das sich stets mit den anderen Fürstenhäusern Europas maß, als auch der Bildungsanspruch des Bürgertums bezog sich stets auf die Metropolen. Das Kulturverständnis überdauerte dann sowohl die Nazizeit als auch die Zeit der DDR.
Der Welterbetitel der Unesco gab dieser kulturelle Weltbedeutung der Stadt ihre Krönung. Ihn jetzt zu verlieren, stellt die Identität der Stadt und ihrer Bürger infrage. „Die Vision von einer Stadt darf sich nicht nur auf die Wirtschaft und einen rollenden Verkehr beschränken, sondern muss die kulturellen Werte, die sich vor allem am Vergleich zum übrigen Erbe der Menschheit messen lassen, im Auge haben“, sagte Heinrich Magirius. Ein Verzicht auf den Welterbetitel spaltet die Bürger und nimmt ihnen ihr Selbstwertgefühl.
Lokaler Polit-Egoismus
Das Brückebauwerk am Waldschlößchen löste die Debatte um den Verlust des Welterbetitels aus. Und sowohl die hiesige Politik als auch Unesco tragen eine Schuld daran. Dass jedoch stur vor allem von Dresdner CDU-Politikern an dem Projekt festgehalten werde, sei nichts weiter als Machtdemonstration. „Natürlich wissen wir nicht, wie spätere Generationen das Brückenbauwerk einschätzen werden. Mit einiger Sicherheit aber wird man an dem Bauwerk die Überheblichkeit ablesen können, mit der sich Politiker unter Berufung auf einen Vollzug
demokratischen Willens gegen weltläufige Einsichten durchgesetzt haben, nicht zuletzt um zu zeigen, wer hier Herr im Hause ist und in der Erwartung, dass morgen schon der ganze Welt willkommen sein wird, was heute einem lokalen Egoismus angemessen erscheint“, sagte Magirius.
Thomas Löser von der Tunnelinitiative wies nach der Veranstaltung darauf hin, dass es nicht zu spät sei, den Welterbetitel zu retten. Doch nach jetzigem Stand käme das Welterbekomitee nicht umhin, im Juni bei seiner Sitzung in Spanien Dresden den Titel zu entziehen. Deshalb errichtete seine Initiative auf dem Altmarkt ein Tor der Barbarei. Doch es ist zugleich ein Tor der Hoffung, weil die Dresdner um ihre Kultur kämpfen werden.
Kommentar: Dresden geht die Seele verloren
Peter Ufer kommentiert das Forum zum Welterbe vergangenen Sonnabend
Was geschieht, wenn Dresden seinen Welterbetitel verliert? Die Frage stellt sich aktuell, denn im Juni tagt das Welterbekomitee der Unesco. Und so wie der Bau der Brücke am Waldschlößchen voranschreitet, wird Dresden den Titel der Weltorganisation verlieren.
Der Verlust des Titels wird wirken wie die Aberkennung einer olympischen Goldmedaille nach bewiesenem Dopingkonsum. Die Scham ist groß, den Rest der Welt getäuscht zu haben. Der einstige Sieger verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Und der Ärger über die eigene Blödheit bestimmt den Rest des Lebens.
Dresden verliert mit dem Titel die weltweite Anerkennung, Kulturstadt zu sein. Die Dresdner verlieren ihr Selbstverständnis, die Stadt ihre Seele. Denn der Verlust des Titels führt dazu, dass der Banalität der Weg gebahnt wird. Dresden droht, da hat Heinrich Magirius völlig recht, die Mittelmäßigkeit kulturloser Politikstrategen.