zum geplanten 2. World Culture Forum (WCF) vom 8. bis 10. Oktober 2009 in Dresden
Die europäische Stadt als Untersuchungsmodell für eine Balance der Kulturen
Für das 2. World Culture Forum wurde das Thema gewählt
„Kultur ist mehr – Weltkulturelle Entwicklungen im Spiegel europäischer Städte“.
Um das komplexe Kräfteverhältnis von Kunst und Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Religion und dessen notwendige Balance konkreter fassen zu können, soll das Phänomen der Europäischen Stadt als Modell fungieren. Volker Hassemer, einer der Hauptakteure des 2. World Culture Forum begründete diese Schwerpunktsetzung so: „Unsere europäischen Gesellschaften sind heute – in einem Maße wie seit Jahrhunderten nicht mehr – herausgefordert, […] sich ihrer Potentiale bewusst zu werden, diese zu pflegen und nach außen zu tragen.“ Dabei gehörten die Städte selbst „zu den Potentialen […], um die es dabei geht.“
Dieses ursprüngliche Anliegen der Konferenz, das im Hinblick auf eine integrierende Betrachtung durchaus zielführend sein kann, ist aber offensichtlich in der inhaltlichen Vorbereitung nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt worden. Zumindest spiegelt sich die deklarierte Schwerpunkt- bzw. Rahmensetzung nicht in dem bisher bekannt gewordenen Programm wider. Sie ist noch spürbar in vier der begleitenden Panels, die explizit dem Phänomen der Europäischen Stadt gewidmet sind:
- „Europäische Städte im Spiegel Weltkultureller Entwicklungen“
initiiert vom WCF
- „Potentiale der Europäischen Stadt“
initiiert von Goethe-Institut / Sächsischer Kultursenat / Kulturwissenschaftliches Institut Essen
- „Die Kreative Stadt“
initiiert vom WCF
- „Die Europäische Stadt der Zukunft – Zusammenfassung und Ausblick“
initiiert vom WCF
Liest man allerdings die zu diesen Panels veröffentlichten Materialien, so ist man erstaunt, wie wenig die seit der Jahrhundertwende wieder vertieft geführte Debatte zur Europäischen Stadt reflektiert ist. Die „Papiere“ sind durch eine weitgehend voraussetzungslose Aneinanderreihung von Fragestellungen und durch Aussagen zum Potential der Europäischen Stadt gekennzeichnet, die – da sie über Allgemeinplätze nicht hinauskommen – nicht fassbar werden.
Da wird nur ganz vage von einer „Renaissance des urbanen Lebensstils“, von „Attraktivität innerstädtischer Wohngebiete“, von der „Ressource des historischen Erbes“ gesprochen, wo längst Untersuchungen vorliegen, die konkretere Aussagen ermöglichen. Da wird unter dem Thema „Die Kreative Stadt“ der Blick einseitig auf ausgewählte „kreative“ Gruppen gelegt, deren tatsächliche Wirksamkeit neuere Studien in Frage stellen. Da bleibt außer acht, was Charles Landry ins Zentrum seiner Überlegungen und Projekte stellt, eine die Stadtgemeinschaft als Ganzes erfassende Kreativität, die sich aus der Eigenheit des Ortes entwickelt.
In seinem Geleitwort zu dem eigens für das World Culture Forum geschriebenen Buch „Kultur – in der Kunst der Begriffe“ bemerkt Kurt Biedenkopf: „Vollkommen einig bin ich jedenfalls darin mit Prof. Heinrichs [dem Autor des Buches H. L.], dass diese Kongresse […] keine Honoratiorentreffen zum unverbindlichen Austausch von Allgemeinplätzen und Höflichkeitsformeln bleiben dürfen …“
Genau diese Befürchtungen hegt man, wenn man das nicht nur sehr allgemein gehaltene auch heterogene Programm studiert. Da mögen sich die Promotoren mit einigen Fragen zum Thema bisher intensiv beschäftigt haben, die nun anstehende Zusammenführung unterschiedlicher Gedankenstränge verlangt, die Schnittstellen genauer zu fixieren, die den Ansatz für eine vertiefende interdisziplinäre Diskussion bieten. Nach ihnen sucht man bisher vergebens.
Möglicherweise haben auch einige der Initiatoren die Lust am Projekt verloren, weil die Stadt Dresden vielleicht doch nicht als der ideale Ort eines Weltkulturgipfels erscheint, als die man sie anfänglich ins Auge gefasst hatte. Das wäre durchaus verständlich.
Angesichts des schrecklichen, rassistisch motivierten Mordes an einer Ägypterin und vor allem des hilflosen Genuschels, mit dem führende Politiker vor Ort auf das Ereignis reagierten, mag man nicht mehr so recht an die Weltoffenheit glauben, mit der sich die Stadt gern etikettiert. Und dann noch das, was alle Welt weiß, worüber aber vor Ort beharrlich geschwiegen wird: Dresden hat sein Welterbe grob fahrlässig verspielt, und zwar mit einem überdimensionierten Brückenbauwerk, an dessen Sinnfälligkeit mittlerweile keiner mehr so recht glauben will. Als harmonische Kulisse für ernsthaften Diskussionen um das Potential europäischer Städte als Ansatz der Balance der Kulturen kann die Stadt nicht mehr dienen, wohl aber als Demonstrationsbeispiel für schwerwiegende Fehlentwicklungen.
Dr.-Ing. habil. Heidrun Laudel
Architekturhistorikerin
Dresden, am 26. Juli 2009